Seit 1129 beten und arbeiten Mönche im Stift Rein bei Graz. Zurzeit sind es 15 und seit dem Vorjahr leitet Philipp Helm als 58. Abt des Klosters die Geschicke des traditionsreichen Hauses. Bei unserem Besuch im Kloster nahm er uns auf eine Reise durch die Jahrhunderte mit und sprach über seine Wünsche für das 900-Jahr-Jubiläum.
Alles begann beim dritten Meilenstein auf der römischen Straße zwischen Langres und Chalons sur Saône im Burgund. "Beim cis tertium lapidem miliarium, entstand das erste Cistertium, das als Gründung von Citeaux das erste aller späteren Zisterzienserklöster werden sollte", erzählt Abt Philipp. Die Idee der Gründer - Robert von Molesme, Alberich und Stephan von Harding - war es, einen Neuanfang zu versuchen und ihr Klosterleben streng nach den Regeln des Hl. Benedikts auszurichten. Wieder zurück zum Ursprung, zur Armut, zur Kontemplation. Die "grauen Mönche", die im Unterschied zu den Benediktinern ungebleichte Kutten trugen, verzichteten auf Schenkungen kultivierter Liegenschaften. Sie verpflichteten sich, ihren Lebensunterhalts durch eigene Arbeit zu verdienen, und wählten auch bei ihren späteren Gründungen die Abgeschiedenheit.
"Zum Erfolg verhalf der neuen Bewegung aber erst Bernhard von Cîteaux", erinnert Philipp Helm an die Leistungen der charismatischen Persönlichkeit. Am 18. Mai 1113 legte er die Gelübde ab, zwei Jahre später hatte er vier weitere Klöster in Frankreich gegründet, vier Primarabteien, die mit dem Mutterkloster den Kern des neuen Ordens bildeten. Als Bernhard 1153 starb, waren es bereits 343 Zisterzienserklöster, die sich wie Netzknotenpunkte über ganz Europa verteilten.
Europäische Gemeinschaft
Auch die Gründung in Rein entstand noch zu Bernhards Lebzeiten. In einem abgelegenen Tal bei Graz ließ Markgraf Leopold der Starke 1129 das Kloster als Hauskloster der Traungauer und als religiöses Zentrum seiner Mark errichten. Die ersten Mönche kamen aus Ebrach in Franken. Reiner Mönche gründeten vier Tochterklöster: 1138 Sittich in Slowenien, 1146 Wilhering bei Linz, 1444 das Neukloster in Wiener Neustadt und 1620 Schlierbach in Oberösterreich.
"Es war gleichsam eine erste europäische Gemeinschaft", meint Abt Philipp Helm, "mit einem Regelwerk, das sicher wesentlich zur Erfolgsgeschichte des Ordens beitrug. Die Prinzipien - Solidarität, Subsidiarität und Personalität - gelten bis heute und entsprechen der modernen katholischen Soziallehre."
Wesentliche Punkte, die in der Carta caritatis festgelegt wurden:
- Nach dem "Gesetz der Liebe" sind die Klöster durch das Prinzip der Filiation (Tochterschaft) miteinander verbunden.
- Die Mutterabtei kontrolliert in der jährlichen Visitation, ob die zisterziensischen Gebräuche in der Tochterabtei regeltreu eingehalten werden.
- Einmal im Jahr trifft sich das Generalkapitel, eine Generalversammlung aller Äbte des Ordens zur Abstimmung und zum Austauch.
- Die Einheit des Ordens wird durch klare Regeln auch nach außen hin deutlich: beim einheitlichen Bau der Klosteranlage, beim einheitlichen Kirchenbau. "Man baute einfach, verzichtete etwa auf farbige Glasfenster, wählte aber hochwertige Materialien", so Abt Philipp. Auch liturgische Gebräuche und Geräte, Choralgesang usw. waren in der Carta caritatis klar geregelt.
Langer Atem und Gebet
Zur Blütezeit umfasste der Orden 800 Klöster. Ende des 13. Jahrhundert verlangsamte sich der Zulauf deutlich, weil Macht und Reichtum der Klöster dazu führten, dass sich viele Zisterzienser von ihren Gründungsidealen entfernten. Junge Männer schlossen sich verstärkt den neu aufkommenden Bettelorden an und mit dem Aufkommen der Universitäten verloren die Zisterzienser auch als Bildungsstätte an Bedeutung.
Wie erklärt sich Abt Philipp Helm, dass Stift Rein als einziges durch all die Jahrhunderte hinweg besiedelt blieb? "Wahrscheinlich haben wir einfach genug Geduld gehabt, den langen Atem, den es braucht, und das Gebet." An diesen Leitlinien halten die Mönche auch heute noch fest, wenn es darum geht, die vielfältigen Aufgaben zu erfüllen: in der Seelsorge, bei der Bewirtschaftung der 30 ha großen, verpachteten Flächen, bei der Präsentation der kulturhistorischen Bauten, als Gastgeber für Menschen, die Ruhe suchen, und beim Erhalt des Klosters. "Jeden Tag muss irgendetwas repariert werden."
Seine eigene Aufgabe sieht der junge Abt aber dennoch vorwiegend als primus inter pares. "Ich bin in erster Linie gewählt, um für die Brüder und die Gemeinschaft des Konvents da zu sein. Das ist auch das, was Menschen dauerhaft beeindruckt und sie so fasziniert, dass sie sich selbst für ein Leben im Kloster entscheiden." In diesem Sinne formuliert er auch seinen Wunsch zum 900 Jahr-Jubiläum im Jahr 2029: "Wir wollen mehr werden."